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    Das Recht auf tatsächliche Beschäftigung

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    Beim Recht auf Beschäftigung handelt es sich um die grundlegende Kernfrage, ob der Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei einer Nichtbeschäftigung trotz Fortzahlung des Arbeitsentgelts einen klagbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf tatsächliche Verwendung seiner Arbeitskraft hat. Die überwiegende Lehre und Judikatur lehnt einen allgemeinen – jedem Arbeitnehmer zustehenden – Beschäftigungsanspruch strikt ab, während ein Teil der Lehre durch unterschiedliche dogmatische Begründungen (Beeinträchtigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, Recht auf Selbstverwirklichung, Verletzung der Fürsorgepflicht, aus internationalen Abkommen abzuleitende Interpretationsmaxime, Gleichbehandlungspflicht, gesellschaftliche Verpflichtung) einen solchen vehement fordert. In der deutschen Rechtsordnung ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch seit der Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 1955 sowohl im aufrechten als auch im gekündigten Arbeitsverhälntis anerkannt, wobei die Beschäftigungspflicht mit dem personenrechtlichen Wesen des Arbeitsvertrages und dem Hinweis auf Art 1 und 2 Bonner Grundgesetz, wonach der Schutz der Persönlichkeit und der Menschenwürde gewährleistet wird, begründet wird. Ein allgemeinen Recht auf Beschäftigung ist abzulehnen. Denn hätte der Normschöpfer der „Beschäftigung“ einen so hohen Stellenwert eingeräumt, hätte er sich bei einer ungerechtfertigten Entlassung wohl für die Wiederzulassung zur Beschäftigung entschieden und nicht lediglich für die schadenersatzrechtliche Lösung. Darüber hinaus erkennt selbst die arbeitsrechtliche Spezialbestimmung des § 1155 ABGB dem Arbeitnehmer bei Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber lediglich einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zu. Abgesehen davon, besteht auch nach den allgemeinen Grundsätzen des Leistungsstörungsrechts keine generelle Abnahmepflicht des Gläubigers. Nach diesen – für das Arbeitsrecht unmittelbar anwendbaren – zivilrechtlichen Grundsätzen ist ein Recht auf Beschäftigung jedoch zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur ein Interesse an der Fortzahlung des Arbeitsengelts, sondern darüber hinaus auch ein besonders schützenswertes Interesses an der tatsächlichen Beschäftigung selbst hat (Interesse an fachlicher Aus- und Weiterbildung, an der Wahrung des Marktwerts, an der Erhaltung berufsspezifischer Bewilligungen und Qualifikationen, auf Öffentlichkeitsbezug). Dieses besondere Beschäftigungsinteresse ist in der österreichische Rechtsordnung für Schauspieler expressis verbis in § 21 SchSpG und für Lehrlinge in den §§ 9 und 18 BAG normiert. Weiters kann dieses Interesse allgemein im Arbeitsvertrag festgeschrieben sein oder sich konkludent aus der Natur des abgeschlossenen Arbeitsvertrages (so der OGH) oder durch ergänzende Vertragsauslegung ergeben. Im Übrigen kann per analogiam zu den gesetzlichen Ausnahmevorschiften ein Recht auf Beschäftigung ermittelt werden, wenn nach Qualität und Intensität eine strukturelle Ähnlichkeit der Interessen an einer tatsächlichen Beschäftigung vorliegen. Eine Analogie ist beim Öffentlichkeitsinteresse zum SchSpG (zB Berufsfußballer) und beim Ausbildungsinteresse (zB Rechtsanwaltsanwärter oder Turnusärzte) anzunehmen. Bei Verletzung eines bestehenden Rechts auf Beschäftigung hat der Arbeitnehmer neben der Möglichkeit der Klage auf Erfüllung auch ein vorzeitiges Austrittsrecht. Führt die verschuldete oder sittenwidrige Nichtbeschäftigung zu einem Berufsschaden, so hat der Arbeitgeber den konkreten, unter Umständen auch den imateriellen Schaden, zu ersetzen. Die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs kann mit einer Leistungsklage oder im Regelfall mit der schnelleren und zweckdienlicheren einstweilligen Verfügung geltend gemacht werden. Da die Beschäftigungspflicht eine unvertretbare Handlung ist, kann sie nur durch indirekte Zwangsmittel (Geld- oder Haftstrafen) erzwungen werden. Die Klagbarkeit ist jedoch im Einzelfall zu versagen, wenn die Durchsetzung des Beschäftigungsrechts den Grundfesten des betreffenden Berufes widerspreichen würde. Dem Arbeitnehmer gebührt während der Beschäftigungsverweigerung durch den Arbeitgeber entgegen § 1155 ABGB das volle Entgelt. Ein Recht auf Beschäftigung ist nicht nur dann zu verneinen, wenn keine besonders schützenswerten Interessen an der tatsächlichen Beschäftigung bestehen, sondern auch in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zwar ein schutzwürdiges Interesse daran hat, faktisch beschäftigt zu werden, diesem jedoch gewichtige berechtigte Interessen (Weigerungs- und Unzumutbarkeitsgründe) des Arbeitgebers, wie etwa der Schutz höherrangiger Rechtsgüter, betriebliche oder in der Person bzw im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Gründe entgegenstehen. Ein Recht auf Beschäftigung haben jedenfalls der Schauspieler, der Chirurg, sämtliche auszubildende Arbeitnehmer (Lehrlinge, Rechtsanwaltanwärter und Turnusärzte), Piloten sowie Berufsfußballer
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